Klima, Wetter und Kartoffeln
Aukrug, Dezember 2019 | Heiße Sommer, trocken oder mit geballten Niederschlägen. In den drei zurückliegenden Jahren wurde die Auswirkung der Klimaveränderung auf den Kartoffelanbau sichtbar. „Was haben wir dem Klimawandel entgegen zu setzen?“ Dr. Jürgen Grocholl von der Landwirtschafts-kammer Niedersachsen wagte anhand von Klimamodellen den Blick bis in das Jahr 2050. Die Jahre werden wärmer werden, die Summe der Niederschläge wird sich, überwiegend in den Wintermonaten, erhöhen. Die Extremwetterlagen werden sich, wie in den vergangenen drei Jahren im Sommer geschehen, für mehrere Wochen über den Kontinenten festsetzen.
Ressourcenschonendes Pflanzgut gefragt
Ziel muss es sein, sich ein stabiles Ackerbausystem, aus passendem Standort, geeigneter Kultur und einer weitgestellten Fruchtfolge zu schaffen, welches die Auswirkung der Extreme minimiert. Versuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zeigen, dass eine zügige Bedeckung der Kartoffeldämme durch eine raschere Jugendentwicklung, der unproduktiven Verdunstung entgegenwirkt. Ein Mulchsaat-verfahren führt zu einer höheren Bodenfeuchte, fördert aber den Befall mit Rhizoctonia an den Knollen. Die Beregnung hilft natürlich bei Trockenheit und Hitze und mindert den Schorfbefall, kann aber in Zeiten von begrenzten Wasserkontingenten nicht die alleinige Lösung sein. Der Anbau von Ressourcen schonenden Kartoffelsorten, wie zum Beispiel der hoch N-effizienten „Simonetta“, wird zukünftig an Bedeutung gewinnen.
Die Auswirkungen des Wetters sind auch in diesem Jahr auf dem Kartoffelmarkt spürbar. Auf das extrem trockene Jahr 2018 mit sehr geringen Erträgen und hohen Kartoffelpreisen wurde innerhalb der nordwestlichen fünf EU Staaten mit einer Erhöhung der Fläche um 9 % reagiert. Trotz dieser Flächen-ausdehnung wurden im Vergleich zum langjährigen Mittel nur 2 % mehr geerntet. Die Erntemenge von 27 Mio. t (ohne Pflanz- und Speisekartoffeln) traf auf einen geräumten Kartoffelmarkt, so dass die Preise in Norddeutschland für festkochende Speisekartoffeln bis jetzt bei 22 bis 24 € pro dt fest tendieren.
„Ob sich dieses Niveau bis in das Frühjahr hält ist nicht sicher,“ sagt Ulf Hofferbert (Europlant). “Entscheidend ist, wann die ersten Frühkartoffeln aus dem Mittelmeerraum in den deutschen Märkten eintreffen.“
Bei der Betrachtung der Erntemengen muss die Verschiebung des Anbaus weg von den klassischen Speisekartoffeln hin zu dem Anbau von Verarbeitungs- und Stärkekartoffeln berücksichtigen werden. Alleine 17 Mio. t Kartoffeln sind für die Verarbeitung und Produktion von Tiefkühlprodukten bestimmt und der Export in Richtung Drittländer wächst stetig.
Auch die Fläche mit Vermehrungskartoffeln wurde ausgedehnt, in Deutschland auf 17.714 ha. Hohe Aberkennungsraten, in Deutschland müssen wir voraussichtlich mit über 10 % Aberkennung rechnen, führen allerdings zu einer Verknappung des Angebotes an Pflanzkartoffeln. Einzelne Sorten stehen nicht mehr zur Verfügung. Imke Wetzig (Europlant Wesselburen) erklärte, dass selbst für Schleswig-Holstein mit dem Hauptanbaugebiet Westküste, durch den starken Läuseflug im Juni und einer höheren Grundbelastung aus dem Jahr 2018, die Aberkennungsrate, Stand November, bei 2,39 % liegt. In Jahren mit moderaten Temperaturen, Westwind und wenig Blattlausflug werden üblicherweise über 99 % der in Schleswig-Holstein angebauten Pflanzkartoffeln anerkannt.
Mehr Probleme durch Wiederaustrieb
Die Infektion der Kartoffeln mit dem Y-Virus findet während der Auflaufphase statt und zu einem großen Teil Sommer, wenn die Bestände schon abgetötet sind und sich vereinzelt Wiederaustrieb mit jungen frischen Blättchen bildet.
Der Wiederaustrieb wird in den kommenden Jahren ein zunehmendes Problem werden. Der Wirkstoff Deiquat (Reglone), der üblicherweise beim Öffnen des Blattdaches angewandt wird, ist in der kommenden Saison nicht mehr zugelassen. Martin Rave von der Böhm Nordkartoffel Agrarproduktion in Freiburg beschäftig sich seit Jahren mit Alternativen zu Deiquat. Vier- oder sechsreihige Krautschläger, wie sie zukünftig wohl auf den meisten Speisekartoffelbetrieben eingesetzt werden, bergen ein hohes Risiko bei der Verschleppung von Bakterienkrankheiten in einem Vermehrungsvorhaben. Abflammen mit anschließendem Krautschlagen und dem Einsatz eines chemischen Sikkativs wäre eine Variante einen Vermehrungsbestand möglichst sauber und termingerecht abzutöten. Gelingen kann die Krautabtötung zukünftig nur, wenn das Zusammenspiel von Bestandsdichte und N-Versorgung perfektioniert ist und der Vermehrungsbestand, wenn die passende Knollengröße erreicht ist, schon von alleine in die natürliche Abreife geht.
Ob Wetterextreme oder sich ändernde politische Rahmenbedingungen, kein Anbaujahr gleicht dem anderen. Für die 96 anwesenden Kartoffelanbauer aus Schleswig-Holstein bot der traditionelle Kartoffeltag der Europlant Anfang Dezember wieder eine gute Möglichkeit, durch den Austausch mit Berufskollegen und Fachleuten Ideen und Anregungen für den eigenen Anbau zu bekommen.